Im letzten Artikel „Was ist die Blockchain?“ haben wir herausgearbeitet, dass die Blockchain in Wirklichkeit gar nicht so geil ist, wie sie von manchen vermarktet wird. Wir haben festgestellt, dass es für nahezu jedes Problem, das mit dem Speichern von Daten zutun hat, eine wahrscheinlich bessere Lösung gibt. Jedoch ist sie für die Probleme, die Bitcoin versucht zu lösen, bisher die beste Möglichkeit, die wir gefunden haben. Aber welche Probleme versucht Bitcoin zu lösen? Vorweg: Es sind Zwei, und eigentlich ist eines der beiden gar kein Problem, sondern eine, im Gegensatz zur Blockchain, ziemlich geile Sache!
Als ich Ende der 90er Jahre meinen ersten Computer geschenkt bekam, musste ich feststellen, dass mein Wissen durch mehr oder weniger intensives Lernen nicht so schnell anwuchs, wie das des gerade im vollen Boom befindlichen Internets. So beschloss ich, zum Unverständnis meiner Eltern und Lehrer*innen, recht schnell, dass sich auswendig Lernen für mich in den meisten Fällen nicht lohnt. Auch Aufsätze selbst zu schreiben schien mir, in Anbetracht wirklich gut geschriebener Wikipedia-Artikel, sinnlos zu sein. So lernte ich sehr schnell die beiden wichtigsten „Affengriffe“ meiner Schullaufbahn: Strg+C und Strg+V. Der charmlose Einsatz der Kopierfunktion meines Computers, ließ mich, ohne großen geistigen und zeitlichen Aufwand, Aufsätze und Hausarbeiten nahezu in Windeseile „schreiben“.
Für mich war das Kopieren damals weniger ein Problem, vielmehr war es die Lösung dafür, möglichst schnell wieder Need for Speed oder Monkey Island spielen zu können. Die digitale Welt hat es mir ermöglicht, Dinge zu „erschaffen“, für die ich keine oder kaum Arbeit leisten musste. Ich konnte mit wenigen Klicks oder zwei einfachen Affengriffen Dinge so gut kopieren, dass es nicht mehr möglich war herauszufinden, welche die „echten“ Daten und welche die Kopie waren. Leider sind meine Lehrer*innen aber eher davon ausgegangen, dass meine Hausarbeiten von Wikipedia kopiert wurden, als das auf Wikipedia von mir verfasste Texte zu finden sind. Dementsprechend war das einzige Opfer meines Diebstahls ich selbst. Nicht nur wegen der schlechten Noten und Verweise, die ich dafür bekommen habe, sondern auch wegen der nicht genutzten Chance etwas über den kopierten Inhalt oder wenigstens das Schreiben zu lernen.
Ich glaube, wir beide könnten stundenlang über die verpassten Chancen unseres Lebens nachdenken, aber viel wichtiger ist, dass diese Geschichte zwei Ideen einfängt, die, wenn wir sie auf etwas wie unser Geld übertragen, aus kleinen pubertären Dummheiten, massive Probleme werden lässt. Wenn wir Geld einfach kopieren oder das hart verdiente Geld anderer ausgeben könnten, dann wäre es nichts mehr wert und niemand würde es mehr nutzen.
Hast du schon einmal versucht, einen Geldschein zu kopieren? Wenn ja, dann wirst du wissen, dass das Ergebnis meilenweit von einer perfekten Kopie entfernt ist. Nicht zu um sonst geben sich unsere Notenbanken so viel Mühe das unerlaubte Vervielfältigen ihrer Münzen und Banknoten so schwer wie möglich zu machen: besonderes Papier, sehr fein gezeichnete Linien, Prüfnummern, schimmernde Hologramme, Metallstreifen und so weiter.
Ich vermute, du hast auch schon Bücher gelesen oder Filme geguckt, in denen Diebe spektakuläre Raubüberfälle oder Einbrüche planen, um in die Tresore von Banken zu gelangen. Im Laufe der Jahre haben sich diese Geschichten etwas gewandelt. Mittlerweile sind die Diebe nicht mehr, mit Revolvern bewaffnet, auf der Jagt nach Geldscheinen und Goldbarren, viel öfter versuchen sie, in die Computersysteme der Banken einzudringen, um dort das Gleiche zu machen, was ich damals in der Schule versucht habe: So tun, als hätte man etwas hart erarbeitet, was eigentlich jemand anderem gehört. In diesem Fall geht es aber nicht um Wikipedia-Artikel, sondern um unser Geld.
Kurzum, Banken versuchen mit allen Mitteln zu verhindern, dass unser Geld von Unbefugten vervielfältigt, oder Unrechtens ausgegeben wird. Diesen Job haben sie die letzten Jahre scheinbar auch sehr gut gemacht. Nicht zu um sonst haben wir alle ein Bankkonto. Ich, für meinen Teil, kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie ich mit meinen Eltern bei der Bankmitarbeiterin saß und mich auf mein erstes eigenes Jungend-Konto freute. Diese Freude wurde im Laufe der Zeit zu mehr und mehr Vertrauen, sodass ich mir mittlerweile recht sicher bin, dass meine Bank sehr gut auf mein Geld aufpasst.
Nun ist es aber so, dass der persönliche Bezug zu meiner damaligen Bankberaterin, durch die tolle Erfindung des Online-Bankings, mehr oder weniger vollständig zum Erliegen gekommen ist. Ich bin mittlerweile nicht mal mehr bei der selben Bank. Es ist mir auch total egal, welche Bank auf mein Geld aufpasst oder meine Überweisungen ausführt. Tatsächlich wurden meine letzten Bankwechsel, eher von zwei Dingen maßgeblich beeinflusst: Zum einen müssen Website und App hübsch aussehen, und zum anderen sollte es mich möglichst wenig Kosten. Leider sind wir an dem Punkt, dass Banken scheinbar nicht mehr genug Geld mit unserem Geld verdienen, sodass ich heute keine Bank mehr finde, die mir ihre Dienste ohne extra Gebühren zur Verfügung stellt. Um zu veranschaulichen, warum das so sein könnte, möchte ich gerne ein Sprichwort mit dir teilen:
„Niemand zwischen mich und mein Geld“
Hast du dich schon einmal mit dem Thema Geldanlage beschäftigt? Wenn nicht, kein Problem! Denn der Gedanke hinter diesem Sprichwort lässt sich auch ganz einfach so verstehen. Meistens wirst du für die Anlage deines Geldes in Aktien, Fonds, ETFs, Immobilien usw. irgendwelche Gebühren bezahlen müssen. Diese Gebühren werden erhoben, um die Dienstleistung des Unternehmens zu bezahlen, welches dir ein Anlageprodukt verkaufen möchte. Oft kaufen diese Unternehmen auch nur andere Produkte von anderen Unternehmen. Das andere Unternehmen möchte jedoch auch bezahlt werden. Es entstehen weitere Gebühren, die dann an dich weitergegeben werden. Je mehr Unternehmen du also zwischen dir und deinem Geld hast, um so mehr Gebühren wollen bezahlt – oder anders – um so mehr Münder wollen gefüttert werden.
Ursprünglich haben wir für unser Geld, welches wir auf der Bank eingezahlt haben, eine zusätzliche Gutschrift von der Bank bekommen. Diese Gutschrift, war nichts anderes als ein Teil des Überschusses, den die Bank im Hintergrund mit der Anlage unseres Geldes verdient hat. Der Überschuss war damals nicht nur groß genug, dass er die Dienstleistung der Bank (unser Geld sicher aufzubewahren) bezahlen konnte, nein, er hat der Bank auch einen ordentlichen Gewinn, und uns ordentliche Zinsen auf unserem Sparbuch beschert. Nun scheint dieser Überschuss seit einigen Jahren nicht mehr groß genug zu sein, um die Dienstleistungen und Gewinne der Bank ausreichend zu finanzieren. Also müssen wir zusätzliche Gebühren dafür bezahlen, um die Dienste der Bank nutzen zu dürfen.
Nun, ich finde es nicht verkehrt, dass ein Unternehmen Gebühren für seine Dienstleistungen erhebt. Es darf – oder besser – soll damit sogar Gewinne erwirtschaften. ABER… ich komme aus der Generation Testbericht, und wenn ich für etwas Geld bezahlen soll, dann schmeiße ich die Suchmaschine meiner Wahl an und Vergleiche was das Zeug hält! Hierbei kam irgendwann die Frage auf: „Brauche ich eigentlich eine Bank, oder geht es auch ohne?“.
Ein unscheinbarer, gar wissenschaftlich anmutender Artikel könnte dies bereits 2008 beantwortet haben. Auf – gerade so – neun Seiten wird erklärt, wie es ohne eine Bank oder sogenannte vertrauenswürdige dritte Partei (trusted third party) funktionieren könnte, Geld sicher aufzubewahren und zu verschicken. Alle Lösungsansätze, die dieser Artikel vorschlägt, adressieren die beiden Probleme, die mein junges ich zum einen für sich ausnutzte, und zum anderen der Lehrerschaft Glauben machen wollte: Das Kopieren von Wikipedia-Artikeln, und der Versuch diese als die eigenen geistigen Ergüsse auszugeben.
In Banken-Deutsch:
Doppelausgaben und Identitätsdiebstahl
In Bitcoin-Englisch:
double-spending und Sybil attack
Wie Bitcoin diese beiden Probleme löst? Erfährst im nächste Beitrag…