Du hast sicher schon einmal etwas über Bitcoin gesehen, gehört oder, wenn du ganz verrückt bist, gelesen. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass dir dabei das Wort Blockchain untergekommen ist.
„Warum Blockchain so viel mehr als Bitcoin ist“
„Blockchain: Wie die Finanzwelt auf den Kopf gestellt wird“
„Wie Blockchain die nächste industrielle Revolution einleitet“
„Blockchain: Innovation abseits bekannter Grenzen“
So oder so ähnlich titelt es in den meisten Zeitungen und Nachrichten. So oder so ähnlich bewirbt eine ganze Industrie ihre Produkte. So oder so ähnlich würde ich die Existenz dieser Website rechtfertigen.
Auch wenn ich mir die Schlagzeilen nur ausgedacht habe, spiegeln sie recht gut wider, wie stark dieses Thema missverstanden wird. Denn eigentlich ist eine Blockchain nichts Revolutionäres, sie wird nichts auf den Kopf stellen, sie ist auch nichts, worauf man Unternehmen oder ganze Industriezweige aufbauen sollte.
Tatsächlich ist sie für die meisten Anwendungsfälle völlig ungeeignet! Bitcoin ist ein sehr seltenes Beispiel, das es schafft, die Blockchain mit anderen Ideen so zu kombinieren, dass sie mit all ihren Schwächen und wenigen Stärken zu einem perfekten Zahnrad im System wird. Die Blockchain zu verstehen, bedeutet, ein bisschen mehr von Bitcoin zu verstehen. Ich möchte dir in diesem Artikel gerne zeigen, wo die Wurzeln der Blockchain liegen und wie sie funktioniert.
Woher kommt die Blockchain?
Ich fand und finde die Antwort auf diese Frage noch immer erstaunlich. Sie kommt aus einer Richtung, aus der ich sie nicht erwartet hätte. Die Idee der Blockchain ist aus einer Frage heraus entstanden, die du dir sicher auch schon mal gestellt hast. Mindestens begegnet dir ihr Ursprung aber nahezu täglich in deinem digitalen Leben…
Rückblende: 1999
Ich wurde noch zu einer Zeit geboren, in der es „normal“ war, nur ein einziges Passwort für all seine Aktivitäten im Internet zu benutzen. Mal ganz davon abgesehen, dass sich die Qualität der damaligen Passwörter auf Geburtsdaten, Namen, das Wort „Passwort“ oder einfache Zahlenfolgen „123456“ reduzieren lässt, habe ich mich öfter bei folgendem Gedankenspiel erwischt.
Ich melde mich mit meiner E-Mail-Adresse und meinem Passwort auf knuddels.de an. Was hält die Betreiber*innen Deutschlands größter Flirt- und Chatcommunity davon ab, sich bei meinem GMX-Konto anzumelden und meine E-Mails zu lesen? Mein Passwort muss ja irgendwie bei denen gespeichert sein, damit sie es mit meiner Eingabe abgleichen können!
Richtig, mein Passwort wurde auch gespeichert, aber nicht einfach so, sondern als sogenannter Hash. „to hash“ lässt sich in diesem Fall als zerhacken, zerkleinern oder vermischen übersetzen.
Moment mal… Knuddels hat mein Passwort zerhackt, zerkleinert und vermischt??? 😳
Ja, und es wird noch grausamer, denn das wird überall gemacht, wo du dein Passwort eingibst. Zumindest hoffe ich das! Nicht, weil ich ein gewaltverherrlichender Mensch bin, sondern, weil wir glücklicherweise nur von Passwörtern und nicht von Lebewesen sprechen. Aber was heißt es nun konkret, wenn dein Passwort gehasht wird?
Ich finde, am einfachsten lässt es sich so erklären: Stell dir einen Mixer vor, der alles was du in ihn hineintust, zerhackt, zerkleinert und vermischt. Das Besondere an diesem Mixer ist, wenn du zweimal das Gleiche hineintust, kommt auch zweimal exakt das gleiche Ergebnis dabei heraus. Sobald du das, was du hineintust, auch nur minimal veränderst, sieht das Gemixte, was herauskommt, komplett anders aus. Am Beispiel von Passwörtern kannst du dir das in etwa so vorstellen:
Wenn du das Passwort „Oma“ in den Mixer tust, dann kommt der Hash „d4e2…58d1“ heraus. Wenn du das Wort „Oma“ nochmal in denselben Mixer schmeißt, dann wird auch der gleiche Hash nochmal erzeugt. Änderst du allerdings nur einen Buchstaben in deinem Passwort, z. B. „Oma“ zu „Opa“ oder das deutsche „Passwort“ ins englische „Password“, verändert sich der gesamte Hash.
Es fällt außerdem auf, dass es dem Mixer egal ist, wie lang oder komplex dein Passwort ist. Er wird immer einen Hash ausgeben, der eine festgelegte Zeichenlänge hat. Es ist nicht möglich, aus diesem Hash das ursprüngliche Passwort zu errechnen oder zu erraten. Das liegt daran, dass unser Mixer eine sogenannte Einweg-Hash-Funktion verwendet. Um es kurz zu halten, unser Mixer mixt so gut, seine Einweg-Hash-Funktion ist so verdammt sicher, dass Staaten und Militärs auf der ganzen Welt ihn benutzen.
Mit dem Erzeugen von Hash-Werten – die genutzt werden um Passwörter zerhackt, zerkleinert und vermischt oder einfacher „verschlüsselt“ auf Servern zu speichern, damit nur ich mich in meinen Knuddels- oder GMX-Account einloggen kann – haben wir die erste Wurzel der Blockchain gefunden.
Die zweite wächst genau neben der ersten und sieht recht ähnlich aus. Hier wird versucht, unsere gemixten Daten so miteinander zu verbinden, dass beim Nachkochen jede Veränderung der Zutaten sofort auffallen würde und in jedem Mixgang sichtbar wird. Es wird sprichwörtlich versucht, unsere gemixten Daten miteinander zu verketten. Da hierzu auch Hashes verwendet wurden, spricht man von einer sogenannten Hash Chain.
Gut erklären lässt sich das Prinzip der Hash Chain anhand von Texten: Hier wird pro Zeile ein Hash erstellt. Das Besondere, der Hash der vorherigen Zeile wird mit in den Mixer geworfen. Der neue Hash bildet dann ein Kettenglied, welches die beiden Zeilen unauflösbar miteinander verbindet. In dem oberen Beispiel ist zu erkennen, dass in der vierten Zeile dieses wunderbaren Refrains ein Wort ausgetauscht wurde. Dementsprechend sehen die Kettenglieder ab diesem Zeitpunkt anders aus als die ursprünglichen.
Wie funktioniert die Blockchain?
Jetzt wo wir wissen, dass die Blockchain aus Hash-Funktionen und der Idee der Hash Chain gewachsen ist: Wie funktioniert die Blockchain also? Was macht sie so innovativ?
Naja, die Blockchain funktioniert genauso wie die Hash Chain! Sie ist nicht mehr und nicht weniger. Sie ist nicht so innovativ wie es gemeinhin dargestellt wird – zumindest nicht, wenn du diesen Artikel nach Ende der 1990er liest. Alles, was wir oben gelesen haben, wurde in den 1980er und 90er Jahren erdacht. Der fantasieanregende Liedtext aus unserem Hash-Chain-Beispiel über eine junge Hexe, die Ferien auf dem Reiterhof macht und dabei fantastische Abendteuer erlebt, stammt übrigens aus der gleichen Zeit. Im Gegensatz dazu ist die Blockchain nichts anderes als eine ewig lange Aneinanderkettung von Blöcken, in denen fast ausschließlich so langweilige Dinge stehen wie „Bibi hat 0,1 Bitcoin“ und „Bibi schickt Tina 0,1 Bitcoin“.
Kurzum: Die Idee der Blockchain ist schon ziemlich in die Jahre gekommen, und wie es eben so ist auf dem Computermarkt, gibt es mittlerweile schnellere und bessere Möglichkeiten, Informationen zu speichern. In den meisten Fällen sind wir sicher besser mit einer Excel-Datei bedient als mit einer Blockchain. Auch für große Unternehmen, denen Excel nicht mehr mächtig genug ist, gibt es wahrlich bessere Lösungen als eine Blockchain. Warum das so ist, werden wir noch ergründen, aber nicht mehr heute! Denn hierzu gilt es vorher noch zu verstehen, wer die Bitcoin-Blockchain baut, wo sie gespeichert wird und wie das Netzwerk dahinter funktioniert.
Ich möchte diesen Artikel, wenn ich darf, mit einer Einladung an dich beenden. Du erinnerst dich sicher an die Schlagzeilen zu Beginn des Textes. Ich lade dich ein, nochmal dorthin zurückzuspringen und die Wörter „Blockchain“ und „Bitcoin“ zu vertauschen.
Mit diesen Gedanken möchte ich dich gerne entlassen und dir fürs Lesen danken 🙂